Mein Name ist Thomas Gmünder, ich bin 39 jährig, aufgewachsen in Luzern und arbeite als Forensiker in Zürich. Vor etwa drei Jahren hatte ich die Idee mein Geschichtsstudium mit einem Nebeneinkommen zu finanzieren und ich gründete das Shavemaster Startup. Ein Online Store in dem ich anfänglich Gebrauchsartikel wie Ersatzbürsteli für elektrische Zahnbürsten, Rasierklingen usw zu günstigen Preisen anbot. Mir wiederstrebte die Preispolitik von Gillette und co. und so versuchte ich mit Parallelimporten, ohne Werbebudget und mit tiefen Fixkosten diese Alltagsprodukte zu verkaufen.
Aufgrund meines grossen Interesses für die ehemalige Sowjetunion und Osteuropa zog es mich immer in diese Gegend. Besonders das schwarze Meer hatte es mir angetan. Es war diese schwierig zu erklärende Charme, die alten Wertvorstellungen, die vielen sichtbaren Überreste des Kommunismus, was mich so fasziniert, und wenn man wie ich gerne ab und zu der Hektik des zürcher Stadtlebens entflieht, merkt man besonders in der Ukraine wie gelassen Grossstädte und Leute darin sein können. Vor 5 Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mal meinen Liegestuhl auf Ibiza mit einem Plastiktischli in einem armenischen Restaurant in Odessa tauschen würde, aber das Ganze wirkte auf mich authentischer und deshalb fühle ich mich dort wohler.
Durch eine Kollegin erfuhr ich, dass es ausserhalb von Odessa und im östlichen Teil der Ukraine viele Kleinbetriebe hat, die für ortsansässige Firmen Bettwäsche, Berufsbekleidung und sonstige Textilprodukte herstellen. Eine Näherin hat dabei einen Lohn von lediglich 200 Euro im Monat. Passend zu meinem schon bestehenden Sortiment kam ich eines Abends beim Anblick meiner ausgetragener Boxershorts auf die Idee, eine eigene Unterhosen-Linie zu lancieren. Schon Als Kind mochte ich Mark Wahlberg als er sich cool in Calvin Klein Unterhosen präsentierte. Meine Unterhosen sollten nicht weniger stylisch werden. Mein Plan war, diese in einer dieser kleinen Manufakturen produzieren zu lassen und die Schneiderinnen mit einem fairen Lohn zu unterstützen. Mein Vertrauensmann sollte Pavel sein, Pavel ist so das, was man gemein unter "Händler" oder "Berater" versteht. Für ihn war ich trotzt meinen bescheidenden Absichten 1000 Unterhosen herstellen zu lassen ein Swiss Businessman. Irgendwie guckte er mich etwas komisch an als wir uns zur Besichtigung der Manufaktur verabredeten und ich ein Veston trug, hingegen er, schlicht im Jogginganzug vor mir stand.
Die Näherei ist ein Kleinbetrieb etwa 3h nordöstlich von Odessa. Das Gebiet war mir bis dato völlig unbekannt und ich war mir nicht ganz sicher aufgrund der geopolitischen Unsicherheit. Mir wurde aber gesagt, dass die Lage dort trotz den jüngsten Unruhen entspannt sei. Einzig die Autofahrt auf den ukrainischen Landstrassen ziehe sich dahin. Am nächsten Tag sass ich dann zusammen mit Pavel und dem Taxichauffeur in einem älteren Dacia und Passivrauchen bekam für mich eine völlig neue Bedeutung. Zigaretten sind kein Luxusartikel in der Ukraine. Bei Preisen von 80 Rappen für ein Päckli haben insbesonderes die Männer fast immer einen Glimmstengel im Mundwinkel.
Schweigend, rauchend und mit viel zu lauter 90er Dance Musik erreichten wir schliesslich nach drei Stunden ein kleines Dorf. Vor einem lieblosen, kleinen Betongebäude stoppte der Chaffeur. Pavel führte mich in den Eingangsraum der Manufaktur und stellte mich der Chefin und ihren 3 Angestellten vor. Alles wirkte auf mich etwas steif und Pavel erklärte mir, dass ich der erste ausländische Besucher und Investor bin. Investor dachte ich mir, ich opferte die Hälfte meines Schweizer Monatgehalts und bin bereits Investor? Die Chefin zeigte mir sämtliche Räume mit den Nähmaschinen, Schneidmaschinen. In jedem Raum hing ein russisch orthodoxes Kruzefix und ein Bild eines kirchlichen Heiligen. Nach der Führung kamen wir sogleich zum Geschäftlichen und Pavel sagte mir, dass er zuerst mal ca. 1400 Euro brauche um gute Baumwolle aus der Ukraine zu organisieren. Keine "shitty Quality" machte er mir klar "same like Calvin Klein". Ich war zuversichtlich und packte das Bündel ukrainische Hrywnja aus meinem Rucksack. Als ich es Pavel übergab nickte er anerkennend ohne nachzuzählen und sagte nur "smoke". Nun war ich etwas irritiert, ok ich hatte nicht die Erwartung die 1400 von meinen Steuern absetzten zu können aber keine Quittung? Nur smoke? Etwa 10 Sekunden stand ich etwas verlassen zwischen dem Bild des heiligen Nikolaus und Pavel bis ich begriff, dass da nichts mehr kommen wird und "smoke" sowas wie das Unterschriftsritual zwischen Männer ist. Wir zückten beide unsere Päcklis und zündeten eine Kippe an.
1 Monat später wieder zurück in der Schweiz kontaktiert mich Pavel mit einem Video auf Whatsapp. Die Unterhosen sind tatsächlich fertig geworden und auf dem Video schauten sie wirklich fast ein bisschen aus wie die von Calvin Klein. Ich überwies den Rest des Betrages per Western Union und wartete auf das Paket.
Als ich das Paket in Empfang nahm und sofort in die XL Unterhose stieg wurde meine Vorfreude dann etwas gedämpft. Mir war bewusst, dass es die erste Produktion war und ich mit kleinen Detailfehlern rechnen musste aber die XL Hosen waren grundlegend einfach zu klein geraten. Das ganze Grössenschlamassel zog sich durch bis auf die kleinste Grösse. ein Teil der XL Grössen lies sich als M verkaufen aber eigentlich war die erste Lieferung enttäuschend. Pavel schrieb mir darauf nochmals und versicherte, dass meine Kunden zufrieden sein werden und wann ich wieder bestelle?
Inzwischen bin ich wieder in der Ukraine, ohne Pavel. Durch eine Kollegin welche eine Boutiquein der Ukraine führt hörte ich, dass eine Manufaktur stillgelegt werden soll. Eine eigene Manufaktur führen in der Ukraine? Wieso nicht?
Birgit Ludwig (Donnerstag, 29 November 2018 10:48)
Ha ha ha...sehr amüsant!! Das klingt ja unheimlich spannend! Das nächste Mal fahre ich mit und mache eine Reportage...!
Wie geht es weiter mit den Unterhosen und dem Ost Business??
Herzliche Grüsse, Birgit
shavemaster (Montag, 03 September 2018 15:22)
Vielen Dank Joe Lozärn und Martin Maduka :-)
Joe lozärn (Montag, 03 September 2018 01:24)
Lustig geschrieben! Viel glück bei deinen vorhaben!
Martin Maduka (Mittwoch, 15 August 2018 16:15)
Good job, bro.
Keep moving.